Havanna ist wohl die komplexeste Stadt, die wir je besucht haben. Es ist eine Stadt der Kontraste, in der die bröckelnden Mauern einst pompöser Gebäude gewisse Defizite verbergen. Die gleichen Mauern können jedoch kaum die lauten Klänge von unbeschwerter Musik und nächtlichen Vergnügungen dämpfen...
 
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Wir kamen am Abend auf dem internationalen Flughafen José Martí an und überlebten eine Fahrt mit dem wohl verrücktesten Taxifahrer Havannas. Er bot an, uns am nächsten Tag auf einen Ausflug mitzunehmen, was wir dankend ablehnten. Er hätte uns auch anbieten können, uns zum Mond zu fahren, wir hätten niemals angenommen, nicht nachdem wir seine Fahrweise erlebt hatten. In den nächsten Tagen sollten wir feststellen, dass unser verrückter Taxifahrer zum Glück nicht der durchschnittliche kubanische Fahrer war.
 
Wir konnten kaum glauben, dass sich unsere Casa Particular hinter der Mauer befand, an der die Nummer 206 angebracht war. Alles an dem Gebäude sah aus, als wäre es eine Ruine. Wir läuteten an der Glocke und der Riegel wurde auf mysteriöse Weise angehoben. Wir folgten einem Faden, der an der Türklinke befestigt war, den ganzen Weg durch das Treppenhaus bis in den zweiten Stock. Da es keine Gegensprechanlage gab, war dies eine geniale Alternative, die die Straßentür öffnete, ohne dass jemand herunterkommen musste. Dies war eine ständige Erfahrung in Kuba: Aufgrund von Handelsbeschränkungen, wie sie durch das amerikanische Embargo auferlegt wurden, sind die Kubaner erfinderisch geworden und haben kreative Lösungen für Mängel gefunden. Der dünne Faden führte uns zu einer älteren Mulattin - einer Dame mit Lockenwicklern im Haar. Sie begrüßte uns herzlich und führte uns in einen terrassenförmig angelegten Innenhof, in dem die Hauskatze darauf wartete, dass nichts passierte.
 
Da die Nacht noch jung war, ließen wir unser Gepäck in unserem fensterlosen Zimmer zurück und gingen einen Block von unserer Straße, San Lázaro, zum Malecón - Havannas berühmter Esplanade -, die sich über acht Kilometer entlang des Karibischen Meeres erstreckt. Die Häuser sind hier ein echter Blickfang, aus den besten und den schlechtesten Gründen. Der Charme und der Charakter Havannas, das auch oft als "die alte Dame der Karibik" bezeichnet wird, beruhen zum Teil auf den bröckelnden Fassaden der Gebäude, die einst schön und prunkvoll waren. Es ist traurig, den verfallenden Zustand dieses Stil-Mischmaschs zu sehen, in dem man immer noch das Beste der spanischen, französischen und nordamerikanischen architektonischen Einflüsse erkennen kann.
 
Die Brise war sanft, als wir den Malecón entlang spazierten und uns unter andere Paare auf der Uferpromenade mischten. Viele hörten Musik aus Lautsprechern und saßen mit dem Rücken zum Meer, während sie Havanna Rum aus der Flasche tranken. Die Atmosphäre war entspannt, fast romantisch, wenn man bedenkt, wie viele Paare nebeneinandersaßen, sich an den Händen hielten und küssten. Es könnte der Einfluss des Vollmonds gewesen sein, oder die Wellen, die an die Mauer peitschten und uns mit Meerwasser besprenkelten, was sehr erfrischend war in dieser warmen kubanischen Sommernacht.
 
Schließlich kehrten wir in unser winziges Zimmer zurück, wo die Luft abgestanden war und, wie wir später herausfinden sollten, die Wände viel zu dünn waren. Wir schliefen bereits fest, als uns das Paar nebenan in die Freuden des "schmutzigen Havannas" einführte. Sie blieben die ganze Nacht auf und spielten Erwachsenenspiele, die mit dem Anzünden von Zigarren und dem Auffüllen von Gläsern gipfelten. Die Wände waren so dünn, dass wir praktisch mit ihnen hätten anstoßen können.
 
Am nächsten Morgen, noch unter dem Einfluss des Jetlags (oder war es, um die Begegnung mit unseren Nachbarn zu vermeiden?), verließen wir das Zimmer früh und machten eine Stadtrundfahrt, als Havanna noch im Halbschlaf lag. Abgesehen von einer Handvoll Fischern, die vom Malecón aus ihr Glück versuchten, waren die Straßen menschenleer. Als ob sie an einem Kater litten, öffneten sich die Fenster erst gegen Mittag, und gähnende Gesichter erschienen langsam auf den Türschwellen. Da fiel uns eine Frau auf, die von Kopf bis Fuß ganz in Weiß gekleidet war. Vielleicht weil wir sie anstarrten, sprach sie uns an: "Mi amor, ¿no sabes quién soy?" Nein, wollten wir antworten, denn wir hatten keine Ahnung, wer sie war. Um unsere Unwissenheit nicht zu entlarven, murmelten wir etwas wie "Dein Gesicht kommt mir bekannt vor", woraufhin sie lachte. Sie war eine Iyawó, eine der neu Eingeweihten in die Santería, die kubanische Religion. Eigentlich hätten wir erkennen müssen, dass sie eine Art Novizin war. Sie war ganz in Weiß gekleidet, als Symbol der Reinigung. Sie und alle anderen Iyawós, die wir in Kuba sehen würden (und es gab einige), unterziehen sich einer einjährigen Periode von Einschränkungen und Verboten. Eine Aufopferung, um als ein besserer Mensch "wiedergeboren" zu werden. Während dieser Zeit kleiden sie sich ganz in Weiß, haben wenig sozialen Kontakt und essen mit einem Löffel! Letzteres klang wie die schwierigste aller Hürden. Stellen Sie sich ein großes, fettes Steak vor und alles, womit Sie es essen können, ist ein Löffel!!! Um solche Probleme zu vermeiden, beschlossen wir unsererseits, in ein vegetarisches Restaurant zu gehen.
 
Dies würde unsere einzige vegetarische Erfahrung in Kuba sein. Als wir uns an den Restaurant-Tisch setzeten, fragten wir, was das Menü des Tages sei. Die Antwort war kurz und schnell "Huhn". Wir argumentierten, dass auf dem Schild draußen "restaurante vegetariano" stand, worauf die junge Dame antwortete: "Das ist richtig. Die Beilage ist Reis mit Gemüse." Verstanden und akzeptiert...
 
Wir streiften durch die Straßen und betraten hin und wieder historische Hotels wie das „Habana Libre“ (Fidels Hauptquartier, als Camillo Cienfuegos Havanna eroberte), oder das Hotel Presidente oder das Hotel Nacional mit herrlichem Blick auf den Malecón. Aber es war auf den öffentlichen Plätzen und Gärten, wo wir die meiste Interaktion mit den Kubanern hatten. Also es sei gesagt, Internet gibt es in Kuba, aber um online zu gehen müssen die meisten Kubaner auf die verschiedenen öffentlichen Plätze gehen, wo es die Wi-Fi-Antennen gibt. Wir können uns an kein anderes Land erinnern, dessen Plätze und Gärten so voll mit Menschen waren, die an ihre Smartphones kleben.
 
Die Plätze waren auch der Ort, an dem viele Begegnungen stattfanden. Einmal fragte uns ein Mann, wie das Leben in unserem Land so sei. Wir waren überrascht über die Frage und noch mehr über seine Reaktion, nicht viele Kubaner waren so offen, zumindest nicht unter freiem Himmel. Wir sagten ihm, dass nicht alles rosig sei und dass wir auch Probleme hätten. "Sicher", meinte er, "aber ihr seid hier, und wir können nirgendwo verreisen". Dies war der einzige Mann, der uns gegenüber sagte, dass er müde sei und es gerne mit dem Kapitalismus versuchen würde. Er war fünfundsechzig und hatte nie etwas anderes als den kubanischen Sozialismus erlebt.
 
Ein anderer Platz, eine andere Begegnung - eine ganz andere Geschichte. Antonio saß neben uns, auf einer der vielen Bänke, als er anfing, Portugiesisch mit uns zu sprechen! Er erklärte uns, dass er früher Soldat gewesen sei und nach Angola geschickt worden war, um an der Seite der MPLA für die Unabhängigkeit zu kämpfen. Kubanische Soldaten waren sehr gut ausgebildet, um im Dschungel zu kämpfen, und ihre Regierung schickte sie nach Afrika und Südamerika, um sie zu trainieren und an der Seite der Unabhängigkeitsguerillas zu kämpfen. Wir trafen andere Kubaner, die mit uns auf Portugiesisch sprachen - sie alle waren Kämpfer in Angola gewesen. Geeint hat sie alle eine Sprache voller Stolz, eine Traurigkeit in den Augen und die Fähigkeit, über die Vergangenheit und die Gegenwart zu lachen.
 
Pedro Juan Gutierrez ist ein kubanischer Schriftsteller, der eines der gröbsten Porträts von Havanna während der "Sonderperiode" geschrieben hat. Trotz der Hungersnot und der Armut, die die Stadt in den neunziger Jahren erlebte, beschreibt er die Menschen in Zentral-Havanna als "Leben in reiner Luft". Niemand hat Dollar, und jeder ist gewohnt, mit Zuckerwasser, Rum und Tabak und viel Trommelschlag auszukommen. (...) Das Leben ist nicht lang genug, um alles gleichzeitig genießen und verstehen zu können. Man muss sich entscheiden, was wichtiger ist." Seitdem sind dreißig Jahre vergangen, und wir können nicht wirklich sagen, ob sich an der Einstellung oder dem Zustand der Habaneros viel geändert hat. Heutzutage gibt es keinen Hunger mehr, aber es gibt viele Engpässe und Schwierigkeiten. Trotzdem garantiert Havanna viele Vergnügungen. Es gibt Musik, es gibt Rum und es gibt Dollars, die man verdienen kann. Also beschließen die Habaneros einmal mehr zu genießen.
 
Dieser Reisebericht wurde verfasst von Herr Jorge Valente von Diariesof Reisemagazin. Mehr inspirierende Reiseberichte finden Sie unter diariesofmagazine.com