Noch ist Deutschlands Brotkultur einzigartig. Bei einer Brot-Zeit quer durch Bayern kann man herausragende Bäckereien und Mühlen entdecken, die Tradition und Qualität bewahren.

Im mainfränkischen Miltenberg, wo man eher Hessisch als Bayrisch hört, sind nicht nur uralte Fachwerkhäuschen erhalten geblieben. In der Bäckerei Hench im Zentrum des Städtchens wird auch das kulinarische Kulturgut vergangener Zeiten bewahrt. „Was wir noch wie kaum jemand anderes pflegen, sind Brauchtumsgebäcke zu allen Anlässen“, erklärt Seniorchef Klaus Hench stolz und zeigt Bilder von „Judasstricken“, „Bubenschenkeln“ und anderen figürlichen „Gebildebroten“, die hier immer noch zu kirchlichen Feiertagen gebacken werden.
 
In die Zeit, als solche Traditionen noch weit verbreitet waren, kann man sich in Rothenburg ob der Tauber zurückfühlen, das über die „Romantische Straße“ durchs Taubertal zu erreichen ist. Auch wenn es in der durch jahrhundertelange Armut konservierten Festungsstadt früher keine Boutiquen und Touristen aus aller Welt gab, bekommt man hier immer noch eine Vorstellung vom Leben im 16. Jahrhundert. So romantisch, wie sich viele Besucher das vorstellen, ging es hier aber auch im Bäckerhandwerk nicht zu. Wer minderwertiges Brot angeboten hatte, wurde bei der „Bäckertaufe“ in einem Käfig zur Schau gestellt und darin in einen Brunnen getaucht. Auch mit Konkurrenten ging man robust um. Als ein Bäcker es wagte, im Vorort Gebsattel, der aus der Stadt mit Backwaren versorgt wurde, Brot zu backen, begann ein „Semmelkrieg“, in dem die Rothenburger dreimal den „feindlichen“ Backofen zerstörten. Heute treten die Bäcker hier unbewaffnet auf, nur „Schneeballen“ gibt es noch – ein süßes Schmalzgebäck mit Puderzucker. Auf eine lange Tradition kann auch Arnd Erbel zurückblicken, der in Dachsbach im Aischtal, rund 60 Kilometer nordöstlich von Rothenburg, in der zwölften Generation eine Bäckerei betreibt. Erbel, der sich „Freibäcker“ nennt, kümmert sich nicht um die industrialisierte Arbeitsweise der meisten seiner Kollegen. Maschinen gibt es bei ihm kaum, dafür viel Platz, um Teige tagelang gehen zu lassen. „Kein Gramm Hefe drin!“, sagt er über seine ringförmige, urig-leckere Breze, die von einem US-Gourmetmagazin zur besten der Welt erkoren wurde. Erbel beherrscht die seltene Kunst, Sauerteige zu machen, die nicht sauer sind und vom Weizenbrot bis zum Croissant als Triebmittel verwendet werden können. Hefe wird hier nur noch für wenige Gebäcke und in kleinsten Mengen gebraucht. Statt damit einen Teig schnell backfähig zu machen, sei ihm die Bekömmlichkeit eines Gebäcks mit langsamer Fermentation wichtiger, betont Erbel und berichtet von einer Familie, die bei einem USA-Aufenthalt nur glutenfreies Gebäck vertrug: „Die können hier alles essen!“
 
Wie das vorherrschende Gegenmodell, die chemisch gestützte, industrielle Großbäckerei langsam die traditionelle Backkunst verdrängte, kann man im Bayerischen Brotmuseum in Kulmbach nördlich von Bayreuth nachvollziehen, zu dem auch ein Brauerei- und ein Gewürzmuseum gehört. Die Geschichte des Kulturguts Brot wird hier von der Antike bis heute mit vielen Inszenierungen anschaulich gemacht.
 
Im oberpfälzischen Vogelthal bei Dietfurt setzt Johann Huber in seiner Holzofen-bäckerei ganz auf althergebrachte Verfahren: wenige Sorten von Broten, die beim Backen wegen der ungleichmäßigen Wärmeverteilung im Holzofen mühsam von Hand umgesetzt werden müssen. Dazu ein unglaublich saftiger Nusszopf und andere süße Teilchen, die mit der Restwärme entstehen. Huber verwendet ausschließlich Mehl aus ungespritztem Getreide – kein Wunder, dass sein Gebäck begehrt ist auf den Märkten der Region.
 
In Dietfurt im Altmühltal gibt es nicht nur eine funktionsfähige Museumsmühle, der Ort ist auch bei Radlern beliebt, die von hier aus auch weiter zum Donauradweg und in den Osten Bayerns fahren können. Dort, in Straubing, haben schon die Römer eindrucksvolle Spuren hinterlassen, die heute originell im Museum präsentiert werden, das nach der lössreichen Region um die Stadt, dem Gäuboden, benannt ist. Aus dieser traditionellen bayrischen Kornkammer bezieht heute auch Markus Steinleitner sein Weizenmehl. Steinleitner, der sich nach einem Fernsehwettbewerb als Bayerns besten Bäcker bezeichnen kann, lässt sein Mehl nicht wie üblich mit anderen Sorten mischen. Außerdem sorgen lange Teigruhezeiten für schmackhafte Baguettes und Brote, die wie früher schmecken und besonders verträglich sind.
 
Auf der Weiterfahrt nach Westen bietet sich für Krimifans ein Abstecher in die Provinz an. Frontenhausen bei Dingolfing ist als „Niederkaltenkirchen“ Drehort der „Eberhofer“-Filme. Wo sonst könnte man so genussvoll die berühmte „Leberkäs- Semmel“ verspeisen und ein paar Runden im legendären Kreisverkehr drehen? In München angekommen, zahlt es sich aus, die Fahrräder dabei zu haben, schon um den riesigen Englischen Garten mitten in der Stadt zu erkunden. Spuren der Bäckergeschichte finden sich hier an vielen Orten. Im Deckenfresko der Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt ist auch der „Brezenreiter“ zu entdecken, der jahrhundertelang eine Armenspeisung ankündigte. Das Bild vom Einzug Ludwigs des Bayern nach seinem Sieg in der Schlacht bei Mühldorf im Jahr 1322 auf dem Isartor zeigt in seinem Gefolge die Münchner Bäckersknechte, die er für ihre Tapferkeit mit einem besonderen kaiserlichen Wappen belohnte.
 
Handwerklich traditionell arbeitende Bäckereien gibt es nicht mehr viele in der Stadt. Münchens letzter Müller Stefan Blum und seine Frau Martina, Betreiber der Kunstmühle beim Hofbräuhaus, wagten deshalb vor zehn Jahren ein Experiment. Mit Rezepten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen sie, mit einem Teil ihres Mehls selbst Brot und Kleingebäck wie früher zu backen. Verwendet werden nur wenige Maschinen älteren Typs, die noch mit „griffigem“ Mehl zurechtkommen. Dessen grobe Partikel nehmen mit Verzögerung viel Wasser auf, so dass der Teig fest wird und lange gehen kann. „Des bringt a super Qualität“, sagt Stefan Blum und verweist auf eine begeisterte Laufkundschaft, für die in-zwischen drei Gesellen das kleine Ladengeschäft nachts zur Backstube umfunktionieren.
 
Auch im Chiemgau südöstlich der Landeshauptstadt, wo Bayern oft aussieht wie im Bilderbuch, gibt es manche Bäcker- Spuren zu entdecken. In Riedering setzt sich Amelie Wagenstaller mit Backkursen und Büchern für mehr Qualität beim Brot ein. „Wir waren der erste Mühlenladen im bayerischen Raum“, sagt die prominente Müllermeisterin stolz. Beim nahen Neubeuern ist die Geschichte ihres Berufsstands sogar in Stein gemeißelt worden: im Mühlsteinbruch Hinterhör wurden von 1572 bis 1860 Mühlsteine aus einer Felswand gehauen, die inzwischen von einem Wäldchen umgeben ist. Heute ist der Ort nicht nur Spaziergangsziel und geologisches Denkmal, sondern auch das Symbol einer jahrhundertealten Brotkultur.
 
Gut zu Wissen
 
Geschichte
  • Ulm, Museum der Brotkultur
  • Kulmbach, Bayerisches Bäckereimuseum
  • Dietfurt, Museumsmühle
https://muenchnerschatzsuche.de/ München-Führungen, auch zum Thema Brot.
 
Übernachten
  • Rothenburg ob der Tauber: Hotel Goldene Rose
  • Straubing: Hotel Röhrl***
  • München: Hotel Platzl****
Einkehren
  • München: Pfistermühle
 Brot-Adressen
  • München, Bäckerei E. Knapp & R. Wenig (Hofbräuhaus-Kunstmühle, auch Mehlladen und Backkurse)
  • Riedering, Mühlenladen Wagenstaller Mühle (auch Backkurse)
Radfahren
  • Ob Taubertal, Straubing, München oder Chiemsee: überall entlang der Route laden Radwege zu Abstechern ein – und dazu, die Reise komplett mit dem Fahrrad zurückzulegen.      Detailplanung: Bayernnetz für Radler www.bayerninfo.de/rad